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Imitation: Unter Imitation versteht man die Nachahmung des Verhaltens oder des Aussehens einer anderen Person oder Sache. Sie ist ein natürlicher und wichtiger Teil der menschlichen Entwicklung. Siehe auch Entwicklungsstadien.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Politik Russlands über Imitation - Lexikon der Argumente

Krastev I 78
Imitation/Politik Russlands/Krastev: Die Politik der Imitation im postkommunistischen Russland hat sich in drei verschiedenen Phasen entfaltet. >Imitation/Krastev
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1) Bereits in den 1990er Jahren war die Rechenschaftspflicht der Politiker gegenüber den Bürgern bei Wahlen inszeniert und illusorisch. Wäre das Jelzin-Regime rechenschaftspflichtig gewesen, hätte es 1993 nicht den Obersten Sowjet bombardiert, die Wahlen von 1996 gestohlen, die Volksabstimmung über das Wirtschaftsreformprogramm von Gaidar vermieden oder zugelassen, dass Russlands nationaler Reichtum von einer engen Gruppe künftiger Oligarchen mit der vollen Zustimmung von Boris Jelzin und seinem Team von "Reformern" geplündert wurde(1).
Nichtsdestotrotz erwies sich die Simulation von Demokratie als eine nützliche Möglichkeit für den Kreml, den Druck westlicher Regierungen und NGOs zu verringern (...).
Wladislaw Surkow: Die vielschichtigen politischen Institutionen, die Russland vom Westen übernommen hatte, werden manchmal als teilweise rituell angesehen und eingerichtet, um "wie der Durchschnitt" auszusehen, damit die Eigenheiten unserer politischen Kultur nicht zu viel Aufmerksamkeit von unseren Nachbarn auf sich zögen, sie nicht irritierten oder erschreckten. Sie sind wie ein Sonntagsanzug, den man anzieht, wenn man andere besucht, während man sich zu Hause anders kleidet(2).
Krastev I 79
2) Die zweite Phase, die sich nahtlos an die erste anschloss, begann um die Jahrtausendwende, als Putin die Präsidentschaft übernahm. Er fuhr fort, Wahlen zu organisieren, tat dies jedoch in erster Linie, um die russischen Bürger davon zu überzeugen, dass es keine tragfähigen Alternativen zu den derzeitigen Machthabern der Staatsmacht gibt.
3) Die dritte Phase, die einen radikaleren Bruch darstellt, lässt sich bis 2011-12 zurückverfolgen. Etwa zu dieser Zeit ging der Kreml aus zu diskutierenden Gründen zu einer Strategie der selektiven Spiegelung oder gewaltsamen Parodie westlichen außenpolitischen Verhaltens über, die darauf abzielte, die relative Schwäche des Westens angesichts der Kreml-Aggression aufzudecken und die normativen Grundlagen der von den USA geführten liberalen Weltordnung auszuhöhlen. Wir befinden uns heute immer noch in der dritten Phase.
Krastev I 88
(...) Die allzu optimistischen Westler hatten zwar Recht, dass Russland nach 1991 zur Imitation des Westens prädestiniert war, aber sie irrten sich in der Annahme, dass der Wunsch des Nachahmers, dem Vorbild ähnlich zu werden, der einzige Grund für die Imitation ist. Russland war zweifellos schwach, aber seine Eliten, abgesehen von einer Handvoll sozial isolierter und nicht repräsentativer Liberalen, waren nicht bereit, die Art moralischer Unterordnung zu akzeptieren, die von willigen Nachahmern eines anerkannten Vorgesetzten verlangt wird(3). Viele Mitglieder der politischen Elite Russlands träumten tatsächlich insgeheim von Rache, ohne Rücksicht auf strategische Gewinne. Wie der deutsche Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch in seinem eleganten und aufschlussreichen Buch "Die Kultur der Niederlage" schrieb: "Verlierer imitieren Gewinner fast reflexartig". Aber eine solche Nachahmung ist nicht unbedingt respektvoll: "Der Kreditnehmer ist nicht an der Seele, dem Geist oder der kulturellen Identität der Gläubigernation interessiert", argumentierte er(4).
Krastev I 89
Krastev: Im Gegenteil, imitierende Politik kann im Wesentlichen kompetitiv und konflikthaft sein.
Krastev I 124
Imitation/Politik Russlands/Krastev: Da Heuchelei uns hilft, Konflikte zu vermeiden, indem sie beleidigende und verletzende Überzeugungen verbirgt, signalisieren Angriffe auf Heuchelei oft den Wunsch zu kämpfen. Das ist es, was Russlands Wechsel von der Simulation zur Verspottung - von der Fälschung demokratischer Rechenschaftspflicht im eigenen Land zum Hochhalten eines Spiegels für das Fehlverhalten der USA auf internationaler Ebene - so gefährlich macht. Der Wechsel war vermutlich nur möglich, weil das Bestreben, wie der Westen zu werden, von den mächtigen Kräften innerhalb Russlands nie wirklich verinnerlicht wurde. Ein gutes Beispiel für aggressive Nachahmung ist Putins Rede vom März 2014, in der er die Annexion der Krim durch Russland ankündigte.
Mit dieser offiziellen Ansprache wurden ganze Passagen aus Reden westlicher Führungskräfte zur Rechtfertigung der Zerschlagung des serbischen Territoriums im Kosovo herausgenommen und auf den Krim-Fall angewandt(5). Was die meisten westlichen Beobachter als ersten Schritt in Putins Versuch der Wiederherstellung des Moskauer Imperiums ansahen, wurde also ausdrücklich durch die Rhetorik von US-Präsident Woodrow Wilson gerechtfertigt, der das grundlegende Selbstbestimmungsrecht des Volkes pries.
Krastev: Indem Moskau seine eigenen gewalttätigen Aktionen in eine idealistische Rhetorik kleidet, die wörtlich den USA entlehnt ist, will es das Zeitalter der Nachahmung als ein Zeitalter der westlichen Heuchelei entlarven. Die gepriesenen westlichen Werte, wie die Selbstbestimmung der Völker, sind schlicht und einfach getarnte westliche Interessen. Die Implikation ist, dass das gesamte internationale System nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenbrechen wird, wenn andere Nationen beginnen, den wahren Westen nachzuahmen.

1. Alexey Pushkov, ‘Russian Roulette’, National Interest (3 March 2008).
2. Vladislav Surkov, 'Putin's Lasting State', Russia Insider (13 February 2019); https://russia-insider.com/en/vladislav-surkovs-hugely-important-new- article-about-what-putinism-full-translation/ri26259 (13.08.2020)
3. According to the Russian-born historian of nationalism Leah Greenfeld every society importing foreign ideas and institutions has 'inevitably focused on the source of importation - an object of imitation by definition -and reacted to it. Because the model was superior to the imitator in the latter's own perception (its being a model implied that), and the contact more often than not
served to emphasize the latter's inferiority, the reaction commonly assumed the form of ressentiment.' Liah Greenfield, Nationalism: Five Roads to Modernity (Harvard University Press, 1992), S. 15.
4. Wolfgang Schivelbusch, The Culture of Defeat: On National Trauma, Mourning,
and Recovery (Metropolitan Books, 2013), S. 33—4.
5. Bojana Barlovac, 'Putin Says Kosovo Precedent Justifies Crimea Secession', Balkan Insight (18 March 2014).

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Politik Russlands

Krastev I
Ivan Krastev
Stephen Holmes
The Light that Failed: A Reckoning London 2019

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